„Francesca“, Cassina Baggio, Torre II, Val Bedretto, 8 SL, 6a

Juli 2020

 

Wir bleiben im Val Bedretto weils hier richtig schön ist. Eigentlich wäre mal eine Pause angesagt, wir haben 5 Tage Klettern hinter uns, auch wenn die anstrengenste Tour bei weitem der ESE – Grat war. Aber das Wetter... muss man halt einfach ausnutzen. Ich nehme mir vor für die 2 Stunden Zustieg nochmal alle Kräfte zu mobilisieren, immerhin ist der Grat selber kurz; nur 8 Längen, dafür allerdings die ersten vier laut Führer ziemlich anspruchsvoll.

 

Vom Parkplatz in All´Acqua bis zur Hütte geht man etwa eine Stunde, der Weg ist angenehm mit einer für mich perfekten Steigung. Die Hütte selber ist eine der hässlichsten die ich jemals gesehen habe. Sie hat den Charme einer McDonalds Filiale und sieht auch ungefähr so aus.

Die Zeichnung in unserer ausgesprochen dürftigen Zustiegsbeschreibung besteht aus zwei Strichen und einer Baracke: ein Strich schnurgerade nach oben, dann, bei der Baracke, nach links. Von der Hütte zweigen gefühlt 50 Wege ab, wir nehmen einen breiten der ziemlich gerade nach oben geht. Es wird jetzt stetig steiler,auch neigt sich der Weg fast unmerklich nach rechts. Wir sind schon ziemlich weit oben als sich erste Bedenken breit machen ob wir hier richtig sind. Wir hoffen auf eine baldigst auftauchende Linksquerung, unsere Hoffnung wird enttäuscht. Wieder zurück gehen kommt nicht in Frage, wir spekulieren damit dass sich der Weg dann hinter der auftauchenden Kuppe nach links wendet. Das tut er nicht und nachdem unser (übrigens bestens mit Steinmännern markierter) Steig in einem Blockkar endet ist klar dass wir auf dem falschen Berg gelandet sind. Wir erklimmen den Bergrücken und sehen jetzt auch unseren Einstieg, von dem uns allerdings betrüblicherweise nicht nur unser aktueller Berg sondern auch eine breite Scharte mit schätzungsweise einer Million Tonnen Felsbrocken trennt.

Mühsam klettern wir eine brüchige Rinne ab, queren einen steilen Grashang und irren dann ziemlich lange durchs Geröllfeld. Vorbei an der Steinbaracke und endlich hinauf zum Einstieg. Etwa vier Stunden hat das Intermezzo gedauert und mir steht eher der Sinn nach einem Bier als nach einer Klettertour.

 

Die erste Länge der „Francesca“ ist die schwerste. Die Linie verläuft nach links und dann nach oben, es schaut von unten nicht schwer aus, ist aber dann deutlich anspruchsvoller als gedacht. Jedenfalls braucht Sprinter ewig, und der Nachstieg macht auch nicht wirklich Spaß. Ich finde, nach diesem endlosen Zustieg (zugegeben, selbstverschuldet) hätte ich mir wenigstens feine Kletterei verdient. Wunschdenken.

In der zweiten Länge geht es nicht besser und wir lassen es sein. Zeit hätten wir wahrscheinlich genug aber es zieht zu und wir hätten noch drei schwere Längen vor uns – eindeutig nicht kompatibel mit unserer Motivation!

 

Einen Abseiler später sind wir am Boden, und der (richtige) Weg Richtung Hütte ist ausgesprochen komfortabel, verglichen mit unserer Zustiegsvariante. Er zweigt übrigens links der Hütte als schlecht sichtbarer Pfad ab.

 

Erste schwere Tropfen bei der Hütte, zwei Sekunden nachdem wir das Wohnmobil erreichen bricht ein saftiges Gewitter los.

 

Fazit: Wir sind eigentlich gar nicht so doof wie wir uns oft aufführen. Manchmal vielleicht etwas voreilig in der Wegwahl... Es wäre allerdings besser gewesen man hätte das Geld für die hässliche Hütte gespart und dafür in eine vernünftige Beschilderung investiert. Die Tour wäre vielleicht ganz nett, gemütliche Gratkletterei darf man sich allerdings keine erwarten.

 

 

Topo: Kletterführer „Dreams of Switzerland“