„Melissa Slimoncella“, Parete di Sanico, Sanico, 6 SL, 6

August 2020

 

Dieses Gebiet am Gardasee wollten wir uns eigentlich im Frühjahr mal anschauen, was dann aus bekannten Gründen nicht möglich war. Am Ende unseres Schweiz – Urlaubes landen wir dann doch in Italien, auch wenn der Hochsommer nicht unbedingt die Jahreszeit der Wahl für diese Gegend ist.

Sanico, ein Örtchen oberhalb des Gardasees, ist für unser Wohnmobil eine Herausforderung: steile enge Sträßchen und dann noch ein Schotterweg – Sprinter schwitzt nicht nur wegen der Hitze.

 

Viele Parkmöglichkeiten gibt es auf dem Weg nicht, zumindest nicht für ein Auto unserer Größenordnung, aber wir schaffen es doch einen Platz zu finden der so weit in Wandnähe ist wie es die erstaunlich vielen Privatgrundstücke zulassen.

Wir folgen der Zustiegsbeschreibung, die gut gemeint und komplett nutzlos ist. Bis zur Abzweigung (Privatweg versus Sentiero) geht’s ja noch, dann folgen wir dem Weg nach oben, der dann kurz darauf einfach verschwindet. Man kennt das, wenn Sekunden vorher noch ein gut sichtbarer Weg vorhanden war sucht man verzweifelt nach Indizien für die Fortführung des Weges. Die Indizien die wir finden führen uns nur noch weiter ins Dickicht. Der Zustieg ist ja nicht lang, die Wand nicht weit weg, der Wald aber so dicht dass wir einigermaßen orientierungslos herumirren. Wir sind zu weit oben und rutschen den steilen Hang nach unten, finden dann später auch, mehr zufällig, die orangen Markierungen die es laut Beschreibung hier en masse geben soll. Die Markierungen (es sind drei oder vier), hören gleich unvermittelt auf wie der Weg. Es erinnert mich ein bisschen an Blair Witch Project, nur ohne Vodoo – Puppen.

Wir finden dann doch die Wand, aber das Herumirren hat genervt.

Also: am besten hält man sich bei der Abzweigung so weit unten wie möglich, im Grunde quert man den Wald ohne viele Höhenmeter bis man Sichtkontakt mit der Wand hat. Am rechten Rand der Wand ist ein kleiner Klettergarten, unsere Tour ist eine Minute links davon.

 

Es gibt hier ein paar Touren, einige sind angeschrieben, andere nicht. Unsere natürlich nicht, aber das ist kein Problem für Spürnase Sprinter. Orientierung am Wandfoto ist das Zauberwort.

Am Einstieg sind zwei verblassende Kästchen, die wohl mal Tourennamen beinhaltet haben. Kann man nicht mehr lesen, egal. Sprinter steigt mal die erste Länge hoch, die wirklich sehr schön, recht steil, nach oben geht. Am ersten Stand dann die Erkenntnis: falsche Tour, weil wir sollten nach links, hier geht es nach rechts. Wir sind in der „Let´s dance“ gelandet. Schade, die erste Länge war toll, aber hier ist Schluß. Wir haben zwar ein Topo mit aber keine Schuhe, und von der „Let´s dance“ wird nicht abgeseilt sondern abgestiegen. Also wieder runter, mit Einfachseil geht das nur unter zweimal.

Dass links von der „Let´s dance“ eine einsame Schlinge baumelt habe ich davor schon gesehen. Naiverweise dachte ich, das wäre eine Variante (soll ja vorkommen). Tatsächlich gehört sie zur „Melissa“. Dass wir die Schlinge so gekonnt ignoriert haben liegt daran, dass nach der Schlinge absolut nichts mehr zu sehen ist. Also keine Sicherungen, aber vor allem auch kein Fels.

Die erste Länge geht nämlich direkt durchs Gebüsch; nach der Schlinge nach links, dort hängt in einem Busch eine weitere Schlinge die man aber erst kurz vor knapp sieht. Fels gibt es hier auch nicht viel, dafür aber jede Menge Gestrüpp. Ein Traum für Botaniker, für Kletterer eher nicht. Man quert bis man wieder auf eine Schlinge trifft und dann geht es nach oben.

Ich bin sowieso irritiert, denn die Touren hier sollen „clean“ sein. Ich hab´s nicht so mit alpinistischen Begrifflichkeiten, aber meiner Auffassung nach heißt das: keine Sicherungen. Die gibt es hier aber: Sanduhrschlingen, weiter oben ein Normalhaken und ganz oben sogar Bolts. Die Stände sind mehrheitlich vorhanden.

Dass die Orientierung ein, zwei Mal trotzdem nicht ganz einfach ist liegt eher am Bewuchs. Man klettert hier wirklich mitten durchs Gemüse bzw. mitten durch einen Kräutergarten. Wilde Minze, Rosmarin und keine Ahnung was noch – zum Klettern nicht immer angenehm, für die Nase ein Fest. Mit Sicherheit die wohlriechendste Tour die ich bis jetzt geklettert bin.

Es ist eine der leichteren Touren in der Wand. Die schwierigste Stelle ist für mich die kurze Querung in der 3. Länge, weil man hier tatsächlich nicht sieht wie das jetzt gehen soll. Der Rest ist meistens gemütliches Dahinklettern. Nach oben hin wird es weniger grün, der Fels ist meist sehr gut und wirkt nicht wahnsinnig beklettert.

Die Absicherung empfinde ich als alpin. Manchmal muss man selber ergänzen, oft auch nicht. Nur ein Stand ist gar nicht eingerichtet; zufällig auch der ausgesetzteste. Hier muss man mit Schlingen um einen Felskopf und eventuell einem Friend arbeiten. Die letzte Länge ist sehr leichte Wasserrillenkletterei auf teils messerscharfem Fels. Welch Wohltat, nach all den Plattenschleichereien in der Schweiz!

 

Abstieg: Man seilt vom letzten Stand über die Nebentour ab, das geht gut mit einem 60 m Einfachseil, ziemlich gerade hinunter. Aber: man landet am Boden, und doch irgendwie auch nicht. Es geht hier nämlich noch ein gutes Stück den steilen steilen Wald hinunter. Weiter unten ist ein Fixseil, so man es findet. Sehr mühsam und wieder sehr nervig! Wer seine Kletterschuhe liebt sollte seine normalen Schuhe mitnehmen.

Auch der Rückweg ist nur scheinbar leicht zu finden. Wieder gibt es erst Markierungen, dann nicht mehr. Scheints, der Errichter geht davon aus dass man schon irgendwie zurück findet. Tun wir auch, allerdings landen wir ein oder zweimal in einem Privatgrundstück, will heißen, man darf sich nicht wundern wenn man plötzlich einen Zaun vor der Nase hat.

 

Fazit: Grundsätzlich ein nettes Gebiet dem wir zu passenderer Jahreszeit sicher noch mal einen Besuch abstatten werden. Die „Melissa“ ist wohl gut zum Anfangen geeignet, die erste Länge der „Let´s dance“ war aber um Welten schöner zu klettern. Ein paar zusätzliche Markierungen am Zustiegsweg wären echt nobel gewesen.

 

Fazit-Sprinter: ein neues Gebiet – immer gut. Die Zufahrt ist eng – RICHTIG ENG! Der Zustieg ist wahrscheinlich möglichst weit unten am angenehmsten. Fein wird es nie sein – dafür ist der Hang rauf aber auch nicht lang. Die Touren: wahnsinnig viel wird hier wahrscheinlich nie geklettert. Das dürfte aber eher an der Absicherung, als an der Kletterei an sich liegen. Der Fels ist (wo vorhanden – unsere Tour hat am Anfang einfach zu wenig davon) echt traumhaft. Wasserzerfressen, rau und kompakt! Und dazu noch meist sehr sicherungsfreundlich.

Die Tour: anfangs botanisch, sehr botanisch. Sicherungen gibt es wenige – und die vorhandenen sind meist eher wegweisend als sicher. Vor den steileren und schwierigeren Abschnitten sollte man sich selbst eine Sicherung anbringen – was gut geht. Die Kletterei wird nach oben hin immer schöner und endet in der o.a. flachen Wasserrillenplatte. Hier mündet die Tour in die Sportkletter-Tour die von links kommt. Über diese wird dann teils recht ausgesetzt abgeseilt – was auch mit einem 60 m Einfachseil gut geht.

Empfehlenswert ist diese Tour – eigentlich die ganze Wand – eher für den erfahrenen Kletterer, der nicht auf vorhandene Sicherungen angewiesen ist. Ein einsames und ruhiges Gebiet in einer wunderschönen Umgebung. Mir hat es gefallen und ich würde es weiterempfehlen. Wie der Abstieg (lt. Beschreibung: ausgesetzt und nur für Alpinisten) von den Touren rechts ist … wird hoffentlich in nächster Zeit hier mal zu lesen sein.

 

 

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