Seilfrei

„Seil frei!“ ist nicht nur ein Standplatzkommando sondern auch eine Möglichkeit, sich auf riskante Art und Weise in alpinem Gelände fortzubewegen.
Oft werde ich gefragt ob Klettern nicht unglaublich gefährlich sei. Nein, ist es nicht - wenn man die entsprechende Ausrüstung hat (und benutzt!), einen Funken Selbsteinschätzung besitzt und sich nicht zu schade ist eine Tour auch mal abzubrechen wenn das Wetter umschlägt oder die Gegebenheiten wider Erwarten nicht zum eigenen Können passen.
In den Bergen passiert viel, aber wenn man sich die Unfälle mal genauer ansieht stehen Klettertouren nicht an erster Stelle. Vielleicht stürzt mal jemand ins Seil, ganz selten bricht ein Standplatz aus und manchmal enden diese Unfälle leider auch tödlich.
Wirklich gefährlich ist das Gelände mit niedrigen Schwierigkeiten, etwa ausgesetzte Abstiege oder Abkletterstellen, rutschige Steige und natürlich, ganz klassisch, Gratklettereien.
Wie oft habe ich bei einer Abstiegsbeschreibung, speziell im Kaiser, gelesen: „Dieser Teil wird üblicherweise seilfrei gegangen.“ Speziell wenn der letzte Abschnitt einer Klettertour über einen Grat führt scheint das gang und gäbe zu sein. 
Ich.Mache.Das.Nicht.
Wir haben einen Klettergurt an, das Seil ist noch nicht eingepackt, warum sollte ich gerade in dem Abschnitt, wo es links und rechts nach unten pfeift, auf das Seil verzichten? Wo ein falscher Tritt oder ein ausgebrochener Stein reicht um hundert Meter oder mehr abzustürzen? Weil ich damit, in einer Tour die 10 Stunden dauert, 15 Minuten Zeit spare? Weil es mich als besseren Alpinisten auszeichnet wenn ich nicht auf Schritt und Tritt ein Seil brauche? 
Ich bin kein Angsthase, aber ich habe einen Sohn der wahrscheinlich gern noch länger eine Mutter hätte und außerdem habe ich noch eine Menge Leben vor mir – ich bin ja quasi noch blutjung.
Ich sehe den Sinn nicht sich während der Klettertour mit mobilen Sicherungsmitteln in Wert von hunderten Euros (Friends! Keile! Schlingen!) zu sichern nur um dann am Ausstieg zu sagen: Ach na ja, ist ja nur 2er Gelände, da passiert eh nix.
Durchaus Sinn macht für mich da das „laufende Seil“, man ist nur wenig langsamer als seilfrei aber gesichert.
Ich persönlich klettere nämlich schneller (weil angstfrei) wenn ich weiß dass mich ein Sturz oder Ausrutscher nicht das Leben kostet.