„Südkante Mittagsfluh“, 10 SL,5b , Handegg / Guttannen, Grimselpass

Juli 2020

Die Mittagsfluh ist ein markanter Felsen mit einer breiten Rampe westlich und einer steilen Wand südlich. Die „Südkante“ markiert die Grenze zwischen den beiden und ist die leichteste Route in der Wand.

Es ist Montag, trotzdem ist der Parkplatz gut gefüllt. Nach 45 Minuten stetem Bergaufgehen (gut ersichtlicher Steig) stehen wir am Einstieg. Und das nicht allein. Die „Südkante“ ist eindeutig am beliebtesten, aber auch in in den anderen Touren tummeln sich schon etliche Seilschaften. Vor uns wartet ein Schweizer Paar und hinter uns bildet sich auch bald eine Schlange. Nicht unbedingt meine Idealvorstellung von beschaulichem Klettern, jedoch bin ich, Vorurteil sei Dank, nur mäßig gestresst, denn der Altersdurchschnitt in der Mittagsflüh dürfte sich so ungefähr bei 65+ bewegen. Sprinter und ich sind hier eindeutig die Küken und ich hoffe dass hier keiner alpine Rekorde brechen will. Tatsächlich haben wir ziemlich Glück – Vorder- und Hintermänner haben jeweils das perfekte Tempo und wir können flüssig klettern.

 

Der Fels ist im unteren Teil fast ein bisschen „dolomitig“, gut zu klettern und erstaunlich rau wenn man bedenkt wie es hier abgeht. Nach oben hin wird es steiler und plattiger, aber nie wirklich schwer. Vorsteigen will ich hier trotzdem nicht. Die Hakenabstände (Bolts) sind nämlich verdammt weit und sehr sicherungsfreundlich ist der Fels nicht. Ein Sturz an der falschen Stelle und ein 15 Meter Flug ist die Folge. So stabil ist mein Nervenkostüm dann doch nicht.

Die Schlüsselseillänge ist ganz oben; steiler und teils plattig, jedoch recht gut gesichert.

 

In Rekordzeit, weil ohne Pausen, klettern wir die 10 Längen und stehen am Ausstieg, welcher halb Gipfelgrat, halb Gipfelwald ist.

 

Abstieg: man kann abseilen oder absteigen. Im Kletterführer steht dass abseilen zu vermeiden ist wenn mehrere Seilschaften in der Tour sind. Wir sind rücksichtsvolle Kletterer und haben uns daher sowieso auf „absteigen“ eingestellt; so wie es jetzt in der Wand zugeht wäre abseilen rücksichtslos. Nicht nur wegen dem Steinschlag, sondern auch weil es nicht angenehm ist wenn man klettert und plötzlich die Füße von einem Abseilenden im Gesicht hat (was mir passiert ist, weil eben nicht alle so nett sind wie wir...).

10 Minuten bis zum Gipfel sollen es sein, die brauchen wir aber schon um bis zum Ausstieg der rechtesten Tour zu kommen. Wir klettern über den Grat was uns angenehmer erscheint als der angedeutete Weg durch die Kiefern. Dann folgen wir dem Pfad, der streckenweise so steil ist dass er fast als Klettertour durchgehen würde (wenn´s nicht so erdig wäre). Bis zum Gipfel brauchen wir locker 30 Minuten, die nicht nur anstrengend sondern auch verdammt heiß sind.

Dann kommt gleich die erste Abkletterstelle, sehr steil aber kurz, gefolgt von einem ebenso steilen aber gar nicht kurzen Abstieg. Es ist heiß, die Trinkvorräte neigen sich dem Ende zu. Wie Folter ist die Tatsache, dass der Bach mit kaltem frischen Wasser in Hörweite, jedoch unerreichbar, nach unten plätschert.

Endlich erreichen wir die nächste Abkletterstelle. Die ist lang und steil und es ist ratsam, die vorhandenen Eisenstangen zum Sichern zu benutzen.

Wieder absteigen, dann wieder, diesmal kürzer, abklettern. Hier haben wir auch endlich die Möglichkeit zum Bach zu gelangen. Absteigen und dann kommt endlich der erste von 4 Abseilern. Die sind eher kurz und gut zu finden. Zum letzten muss man in leichtem Gelände hinüberqueren, nochmal abseilen, natürlich nochmal abklettern und wir sind bei den Einstiegen. Sehr lang, sehr mühsam, sehr warm ist das Ganze, und mich beschleicht der Verdacht dass wir, bis auf das Schweizer Paar vor uns, die einzigen sind die absteigen und nicht abseilen. Die Wand ist nämlich leer und auf dem Abstiegsweg ist niemand zu sehen.

Vom Ausstieg bis zum Auto haben wir schätzungsweise fast 3 Stunden gebraucht.

 

Fazit: Eine schöne Tour, nicht wirklich schwer und mit großteils gutem Fels. Trotzdem nichts für Einsteiger; die Absicherung ist nur an den schwersten Stellen gut, dazwischen oft gähnende Leere. Zusätzlich absichern ist aufgrund der Felsstruktur nur teilweise möglich. Der Abstieg ist nicht empfehlenswert. Besser wäre, mit Doppelseil zu klettern (haben wir nicht) und in den rechten Routen abzuseilen. Die werden weniger geklettert und sind steiler. Wann hier wenig los ist ist schwer zu sagen, bei uns, am Montag, war die Wand voll, am nächsten Tag sehen wir beim Vorbeifahren nur ein Auto.

 

Topo: eine gute Beschreibung gibt’s hier oder im Kletterführer „Dreams of Switzerland“