August 2019

 

Drei Tage Arco reichen. Ein Tag des verlängerten Wochenendes ist aber noch übrig, den wollen wir mit der Jaufenkante ausnutzen.

Die Jaufenkante ist, wenn auch nicht meine Idee, so zumindest meine Wahl. Alternative wäre die „Schubert“ in den Dolomiten, was ich aus Gründen der psychischen Belastbarkeit nicht näher in Betracht ziehe.

 

Wir nächtigen direkt am Jaufenpass, was zwar möglich aber nicht wirklich angenehm ist weil es der vermutlich frequentierteste Pass nach dem Brenner ist. Eingekreist von Kühen und alle paar Minuten Scheinwerfer und Motorengeräusche - ich habe keine wirklich erholsame Nacht hinter mir als wir morgens um acht starten.

 

Der Zustieg:

Der Zustieg ist anfangs leicht – den Normalweg Richtung Jaufenspitze entlang. Dann in der Kehre nach einer Gedenktafel queren wir einem Steiglein folgend links hinüber.

Wir werden von zwei sehr sportlich wirkenden Männern in kurzen Hosen überholt, das wars dann, mehr Gesellschaft gibt es in der heutigen Tour nicht.

 

Ich habe schon eine Menge Zustiege hinter mir – Dolomiten, Kaiser, Wetterstein, aber noch in keinem Zustieg habe ich mich so unwohl gefühlt. Es ist eine Sache, schrofiges 1er oder 2er Gelände hinaufzuklettern, und eine ganz andere Sache, in steilen, grasigen und feuchten Wiesenhängen unterwegs zu sein.

Nach ein paar Minuten führt der angedeutete Steig nach unten, Sprinter sprintet vor, quert einen besonders steilen und rutschigen Grashang und klettert eine ebenfalls steile und rutschige Grasrinne hinauf bis er wieder auf einen (den?) Steig trifft. Ich sehe keinerlei Wegspuren und kann mir überhaupt gar nicht vorstellen dass das hier der offizielle Zustieg sein soll. Ja, es steht in der Beschreibung dass der Zustieg bei Nässe heikel ist. Aber auf 2000m ist jeder Grashang morgens feucht, ergo immer heikel, und das hier ist nicht heikel sondern einfach nur gefährlich. Ich verlange Seilsicherung was mir gewährt wird, ich muss aber erst etwas hinüber queren um das Seil zu erwischen, ein paar Meter, die meiner armen Psyche schon wieder arg zusetzen.

Anschließend geht es noch ein paar Minuten den Steig entlang, bis wir vor der Kante stehen.

Um zum Einstieg links zu gelangen muss man eine Platte queren (3-). Den Normalhaken der dort stecken soll haben wir übersehen, tolle Sache also wenn man schon vor der Tour mit einer zwar leichten aber ungesicherten Querung zu kämpfen hat.

 

Die Tour:

Die ersten Meter gehen eine geneigte Platte hinauf – erst mal ziemlich ungewohnt, denn wir sprechen von Reibungskletterei ohne nennenswerte Griffe und Tritte. Der Fels ist gut, trotzdem ist Sprinter noch nicht ganz im Fluss und sucht ohne viel Erfolg Sicherungsmöglichkeiten. Mehr durch Zufall entdeckt er den Normalhaken in der Platte, von da an geht es etwas besser.

Diese Haken stecken in der ganzen Tour, und ehrlich gesagt, ich bin ziemlich froh dass Sprinter sie auch mehrheitlich findet. Sichern kann man zwar auch immer wieder mit Köpferlschlingen und teilweise auch Friends, aber mein Sicherheitsbedürfnis verlangt eindeutig nach Eisen!

Da wir nicht in Wechselführung gehen versuchen wir erst, zumindest lange Seillängen zu produzieren. Es gelingt uns nicht wirklich, der Seilverlauf verursacht zu viel Reibung. Also lieber kürzere Längen, dafür flotter klettern.

Die Jaufenkante ist Reibungskletterei, dazwischen kommen aber auch immer mal wieder andere Kletterpassagen. Hervorzuheben besonders die Schlüsselstelle, eine glatte Platte, die wir entlang des Risses geklettert sind der eindeutig nicht „4“ ist, die darauffolgende 2er - Querung links vom Grat (und oberhalb des Abgrundes) die mich den letzten Rest Nerven gekostet hat und die steilere Passage im letzten Viertel der Kante. Nicht, dass ich jetzt von heroischer, brutal schwieriger Kletterei reden will, aber so putzig wie das Topo mit den ganzen 1ern, 2ern und 3ern ausschaut ist die Realität dann doch irgendwie nicht. Ein Grat eben, und einer, in dem zwar ein paar Normalhaken stecken, der Großteil der Tour ist aber selbst abzusichern, inklusive der Stände.

Als wir endlich die Schlusswand in Angriff nehmen bin ich schon ziemlich gaga, die Tour zieht sich, schon zweimal habe ich mich über die letzte Länge gefreut (voreiligerweise).

 

Der Abstieg:

Wir sind oben, und ausnahmsweise habe ich mal keine Bedenken vor dem Abstieg. Immerhin hat man ab dem letzten Drittel der Tour eine gute Aussicht auf den Normalweg, und das Völkchen das sich hier hinabbewegt schaut nicht ausnahmslos nach Extrembergsteigern aus. Im ersten Teil über felsiges Gelände, sehr gut mit Seilen versichert, dann leichter werdend. Allerdings zieht sich auch der Abstieg, zumal wir ja auch nicht mehr ganz taufrisch sind (ich zumindest).

 

Fazit: die Jaufenkante ist, objektiv betrachtet, ein wirklich schöner Grat mit gemäßigten Schwierigkeiten und annehmbaren Zu- und Abstiegszeiten. Vergessen darf man allerdings nicht wo man sich hier bewegt: in alpinem Gelände das mit Sicherheit nichts für Einsteiger ist.

 

Anmerkungen:

  • zwar reden wir von einer Nordkante, wir hatten aber (Mitte August) in zumindest zwei Dritteln der Tour Sonnenschein. Heiß war es nicht, ganz aufs Wasser (und die Sonnencreme) sollte man aber nicht vergessen

  • es gibt keine wirklichen Rückzugsmöglichkeiten! Sicherlich kann man im unteren Teil (mit Materialverlust) irgendwie abseilen, spaßig stelle ich mir das aber nicht vor.

  • Deshalb sollte absolut stabiles Wetter herrschen! Bei Nässe ist das ganze Unternehmen halsbrecherisch, Reibungskletterei auf nassem Fels funktioniert nämlich nicht wirklich

  • Zeitbedarf: ja, irgendwer wird die Tour schon in 5 Stunden schaffen. Wenn man die Tour kennt, am laufenden Seil und in Wechselführung geht, beim Zustieg nicht sichert, flott beim Zu- und Absteigen ist. Wir haben insgesamt 9 Stunden gebraucht, wovon eine für diverse Päuschen und eine für „keine Wechselführung und nicht besonders motiviert“ draufgeht. Dass wir aber fast zweimal so lange brauchen wie der Durchschnittskletterer glaube ich nicht. Also lieber einen ordentlichen Zeitpuffer einbauen!

  • Der Zustieg allein ist für mich schon ein Grund die Tour nicht mehr zu gehen. Falls irgendwer die Tour schon gemacht hat wäre ich dankbar für Aufklärung: ist die Schlaufe nach unten und anschließend die Grasrampe nach oben so gedacht oder war das ein Irrweg? Wie haben andere den Zustieg empfunden?

  • Seillängen / Standmachen: wir haben versucht uns nach dem bergsteigen – Topo zu orientieren. Unterm Strich macht es aber mehr Sinn die Seillängen so zu gestalten wie man es vom Seilzug her angenehm findet und die Stände dort einzurichten wo es bequem ist und die besten Sicherungsmöglichkeiten gibt. Wir haben so knappe 20 Seillängen produziert.

 

Fazit-Sprinter: die Jaufenkante ist ein schöner Grat in einer traumhaften Umgebung. Das Ambiente ist wirklich herrlich und die Tour ist nicht schwer – hat aber auch nicht immer eine klar vorgegebene Linie. Klettern kann man in dem Gelände überall – teilweise wird es halt gleich deutlich schwerer. Absichern kann man das ganze aber meist recht ordentlich. Ausnahme ist da blöderweise die Einstiegsplatte – da ist man das Schleichen noch nicht so gewohnt – und die Platte in der letzten Länge. Wer es da noch nicht gewohnt ist sollte es lassen :-) Gar nicht mal so kurz! Nur bei wirklich sicherem Wetter zu empfehlen!!!

 

Topo: bergsteigen.com