Via Cosimo, Rote Wand, Lechquellengebirge, x SL, 5+

August 2020

 

Die Rote Wand hat sowohl Sprinter als auch mich nachhaltig beeindruckt ( was in meinem Fall ein Euphemismus für „traumatisiert“ ist). Von unserem Abstieg gibt es kein Foto, so sehr war ich mit „nicht panisch werden“ beschäftigt. Sprinter hat es sich deshalb diesmal auch nicht nehmen lassen, die Tour auch aus seiner Warte zu beschreiben. Darum gibt’s erst eine Geschichte von mir und dann von ihm.

 

Die Rote Wand“ - ein Gebiet mit dem ich mich bis dato nicht sonderlich beschäftigt habe und das so eine Art Nachtrag zu unserem Schweiz – Urlaub werden sollte (Regen hatte damals unser Klettervorhaben vereitelt).

 

Superschönes Wetter haben wir als wir in Lech ankommen. Von dort führt eine Mautstraße zur Formarinalpe. Der Schranken ist für Privatautos zwischen 16:30 und 7:30 geöffnet, dazwischen ist nur eine Fahrt mit dem (sehr teuren) Bus möglich. Die Maut für den PKW kostet 20 Euro, die aber gut investiert sind, denn die Gegend hier ist wirklich außergewöhnlich schön. Ein Stück hinter der Formarinalpe ist der letztmögliche Parkplatz; groß und sogar mit Klo. Wir kommen am Samstagabend an und spazieren noch zum Formarinsee der, für einen See in dieser Höhenlage, ausgesprochen warm ist. Überhaupt ist die ganze Gegend perfekt für kleine und große Wanderer. Der Parkplatz ist auch gut belegt und füllt sich im Laufe des Abends fast bis zum letzten Platz.

Was uns jetzt schon ein bisschen auffällt: Kletterer sieht man noch nicht wirklich viele, nur zwei oder drei andere Seilschaften sind vor Ort.

Trotzdem wollen wir früh aufbrechen, Sprinter hat Bedenken dass es, weil wir die leichteste Tour in der Wand klettern, Stau am Einstieg geben wird.

 

In dieser Nacht ereignet sich übrigens etwas, dass unser Nächtigungsverhalten nachhaltig verändern wird, Sprinter wird nämlich nass. Während ich alter Outdoor – Hase mit einem Blick erfasse dass Schlafsackschlafen ohne Zelt in dieser Höhe keine gute Idee ist und daher die Nacht im Auto verbringe, lacht Sprinter mich aus und wacht am Morgen in einem patschnassen Schlafsack auf. Anlass für ihn, unseren KIA PICCANTO auszubauen. Ja, richtig gelesen. Wie das aussieht, wird gesondert verraten.

 

Sprinter ist am Morgen also muffelig weil nass, und ich bin muffelig weil Morgenmuffel UND DAS GAS AUS IST!!! KEIN KAFFEE!!!!

Geht gar nicht, ohne Kaffee ist eine Tour undenkbar. Ich sehe zwei Kletterer beim Frühstücksmüsli kochen und bettle ihnen ihre Gaskartusche ab. Ach, wäre ich doch morgens nur eine Spur kommunikativer! Dann hätte ich mit den beiden ein bisschen Klettersmalltalk geführt und sie gefragt was sie gestern gegangen sind, und sie hätten mir wahrscheinlich gesagt: die Via Cosimo. Und in Folge wäre mir viel erspart geblieben. Leider ist mir bis zum zweiten Kaffee jedes Wort zuviel und in Folge bleibt mir nichts erspart.

 

Der Parkplatz ist jetzt rappelvoll, Kletterer sind immer noch keine da. Sollte einem das zu denken geben? Vermutlich.

Der Zustieg soll nur 45 Minuten dauern. Das ist der erste Euphemismus in der Tourenbeschreibung (das Wort „Lüge“ klingt doch etwas hart). In 45 Minuten hat man grade mal die Anhöhe erreicht, von der aus man einen guten Blick auf die Wand hat. Weitere 15 Minuten bis zum unteren Ende des Steilstückes, und nochmal 15 Minuten (wahlweise mehr, ich spreche hier von einem hinreichend guten Konditionsstand) bis zum Einstieg. Vorausgesetzt man findet ihn auf Anhieb. Tun wir nicht, mit dem Resultat, dass wir, bis wir halbwegs richtig sind, 2 Stunden gebraucht haben. So.

 

Wir haben die „Rote Wand“ als Kletterziel gewählt weil es hier alpine Touren gibt. Also richtig alpin, mit wenig Absicherung und in einer Gegend, wo nicht unter einem eine Autobahn vorbeirauscht.

Ich klettere gern alpin. Ich brauche nicht alle zwei Meter einen Bolt um mich wohlzufühlen, weder im Vor- noch im Nachstieg, vorausgesetzt der Schwierigkeitsgrad harmoniert mit meinem Können. Manchmal ist es nett und entspannend, Bohrhaken nachzuklettern, aber im Zweifel würde ich mich doch für eine alpine Tour entscheiden. Wir sind schon alpine Touren in allen Variationen geklettert:

Touren wo der Tourenname nicht am Einstieg angeschrieben war: einige

Touren, wo am Einstieg auch keine Schlinge, kein Bolt oder sonstiges war: zumindest ein paar

Touren, wo auch keine Sicherung zu sehen war: müsste ich nachdenken

Touren, wo auch keine markanten Kletterspuren auszumachen waren: eine. Nämlich diese.

Mit anderen Worten: Um den Einstieg zu finden hält man sich am besten ans Wandfoto, und dann heisst es Augen zu und durch. Ich glaube zwar, dass der richtige Einstieg ein paar Meter weiter rechts gewesen wäre, aber da es hier leichtes Gelände ist und Sprinter tatsächlich den ersten Stand findet spielt das keine Rolle. Einfach loszuklettern, ohne die Gewissheit: hier startet die Tour, das ist definitiv neu.

Hat man den ersten Stand erreicht, und passt der erste Stand zur Tourenbeschreibung, ist zumindest schon viel gewonnen.

Die zweite Länge ist eine Verschneidung. Sprinter kommt langsam voran. Die Wegfindung ist nicht das Problem, aber jede einzelne Sicherung selbst zu legen ist halt doch was anderes als magere Absicherung „aufzuhübschen“. Auch ist der Fels, entgegen der Beschreibung, nicht super sondern in dieser Länge eher na ja. Was übrigens der zweite Euphemismus der Tourenbeschreibung ist.

 

Ich merke dass meine Nervosität steigt. Wenn ich so lange am Stand stehe verliere ich das Zeitgefühl und rechne innerlich jederzeit mit dem Einbruch der Dämmerung (es ist gerade mal 11 Uhr).

Noch mehr steigt meine Nervosität, als Sprinter verkündet, er habe zwar einen Stand gefunden, dieser sei aber alt und nicht saniert. Zwar entdeckt er dann doch noch den sanierten Stand (ein paar Meter weiter oben), aber ich merke schon dass das hier eine Herausforderung für meine Psyche wird.

 

Die Kletterei an sich ist schön und auch sicher nicht superschwer, aber das laaaaangsame Vorankommen ist anstrengend. Weiter oben (Länge 6?) gibt’s dann auch den ersten Verhauer, Sprinter klettert links statt gerade und muss abklettern, und auch das ist für beide Parteien psychisch anstrengend. Abklettern in einer selbst abgesicherten Tour in 5er Gelände ist eine der Fertigkeiten die man in der Roten Wand beherrschen sollte.

Weiter geht’s; in der siebten Länge findet sich sogar ein Zwischensicherung (die einzige der Tour abgesehen von zwei Normalhaken weiter unten, wohl Überbleibsel von einer früheren Begehung). Ich finde diese Länge nicht so schwer, trotzdem wieder ewig ewig lang, und zusätzlich baut Sprinter auch noch eine großzügige Schleife ein weil er eine putzikleine Plattenzone umgehen will.

Nun kommt die letzte Länge der richtigen Kletterei, steile Wasserrillen, zum Absichern offensichtlich nicht so super.

Danach noch zwei Schrofenlängen in brüchigem Fels bis zum Gipfelgrat, leicht abwärts über den einfachen Gipfelgrat bis in die Scharte, dann zweimal abseilen und schwupp, ist man am Boden. So steht´s zumindest in der Beschreibung. In meiner Vorstellung ist es so ähnlich wie auf der Schüsselkarspitze, also easy.

 

Aber so weit sind wir noch nicht. Ich stehe mal wieder am Stand und Sprinter wühlt sich durch die erste Schrofenlänge. Ich bin mittlerweile sehr nervös. Man nenne es Vorahnung oder vielleicht bin ich einfach ein Alpinwaschlappen, aber ich werde immer unruhiger. Dass wir schön langsam von Gewitterwolken eingekreist werden hilft mir auch nicht wirklich. Ich traue mich auf die Uhrzeit zu schauen: 15 Uhr. Das ist gut, zwei Schrofenlängen und ein bisschen Grat sollten in einer Stunde zu schaffen sein.

 

Auch in den Schrofenlängen sollten Stände sein. Sprinter findet nichts, und viel viel später steige ich nach. Erst eine Schotterpiste, an deren Ende nochmal ein Ringhaken ist (den ich niemals zum Abseilen benutzen würde!), dann recht nett stufiges Gelände hinauf. Ich sehe auch keinen Stand, Sprinter ist nach hinten in eine Geröllrinne gestiegen weil das der logischste Weg scheint.

 

In der Beschreibung steht, dass der Fels in Gratnähe extrem brüchig ist. Das stimmt nicht. Hier gibt’s nämlich keinen Fels, nur lose aufeinandergeschichtetes Gestein. Sprinter steigt wieder vor, wieder eine sehr lange Seillänge, und beim nach“klettern“ wird der Berg von Tappser zu Tappser bröseliger. Eigentlich sollten wir jetzt oben sein, sind wir nicht. Sprinter hat nochmal Stand gemacht, wobei: zählt das als „Stand“ wenn man einen Friend zwischen zwei wackelige Steine legt? Besser geht’s nicht, Angst steigt in mir hoch. Sprinter steigt wieder vor, legt zwar Zwischensicherungen, die aber mehr der Optik als der Sicherheit dienen. Steine regnen auf mich herab, auch das geht nicht besser, aber zum Glück zerfallen die Steine im Flug in homöopathische Stückchen.

Ich klettere nach, ein Wahnsinn ist das hier! Man muss schneller klettern als der Berg bröselt, es bleibt buchstäblich kein Stein auf dem anderen.

Sprinter sitzt mittlerweile auf dem Grat, ein paar Meter fehlen mir noch da ruft er mir zu, ich solle jetzt bitte nicht ausflippen.

Toll. Das ist so wie die Sache mit dem rosaroten Elefanten. Ich komme am Stand an und flippe aus, und das ist wahrlich eine Premiere meines Alpinschneckendaseins.

 

Abstieg: Der Grat, den man entlangspazieren soll, ist ein paar Zentimeter breit. Auf der einen Seite steiler Bröselbruch, auf der anderen Seite steiles steiniges Gelände, vor uns eine Scharte. Das Gelände ist unübersichtlich und langsam zieht Nebel auf.

Sprinter hat an einem Köpfel Stand gemacht, und das nicht als erster, denn eine sehr neue Köpfelschlinge und ein alter Karabiner hängen hier. Hier wurde abgeseilt, und wir tun das auch. Sprinter souverän und professionell, ich zitternd und panisch. Der Fels unter der Köpfelschlinge wirkt halbwegs kompakt, alles andere nicht.

Beim Seilabziehen wieder ein Steinregen. Wir müssen noch eine Länge hinunter, dann wollen wir hinüberqueren, dorthin, wo wir das Joch vermuten von dem dann abgeseilt wird. Es donnert, wir sehen ein Gewitter unweit von uns, bei uns vorerst nur Tröpfeln.

Die nächste Länge können wir nicht mehr abseilen, hier ist kein Stückchen Fels dem man sein Leben anvertrauen würde. Also abklettern. Gesichert mit vielen Friends, keinen davon belasten wir, die Friends sind nur Psychozierde.

Nebel, Tröpfeln, Angst.

Leicht abwärts hinüberqueren, ungesichert, hier gibt’s nix mehr. Nach etwa 200 Metern trauen wir uns wieder nach oben, und, landen wieder auf dem Grat! Boah, was für eine Erleichterung! Blick auf die Uhrzeit: 18 Uhr!

Noch sind wir nicht am Ende des Grates, aber nach ein paar Minuten schon. Jetzt geht es hinab, einen sehr steilen Grashang, der aber eine Wohltat ist nach dem ganzen Geröll.

Hinab, hinab.

Dann ein Wunder: die erste, letzte und somit einzige Markierung der Tour: ein Steinmann. Die Abseilstelle!

Zwar etwas versteckt, aber doch. Abseilen und dann: suchen. Wo ist die zweite Abseilstelle? Wir sind auf einem Band, suchen jeden Meter ab aber nix. Schon wieder kriecht Panik in mir hoch. Langsam fängt es wirklich an zu dämmern. Wir sind kurz vor dem Wandfuß, aber springen können wir auch nicht, also weitersuchen.

In Falllinie des ersten Abseilers ist eine steile Rinne. Die haben wir erst ignoriert, aber dann steigt Sprinter ein paar Meter ab und sichtet den zweiten Abseiler. Was. Für. Ein. Wahnsinn. Nach der Grattortur noch die Abseilstelle suchen zu müssen... warum hat man nicht wenigstens hier eine winzig kleine Markierung gemacht? Und warum muss man zwischen zwei Abseilstellen 4er – Gelände abklettern???

 

Wieder Kletterschuhe an. Wieder sichern. Dann lässt Sprinter mich ab, so ganz klar ist nämlich nicht ob unser Seil reicht. Tut es, aber ich habe kein einziges Nerv mehr übrig.

Noch ein paar Meter abklettern (natürlich).. dann sind wir am Wandfuß.

Blockgelände, Wiese, dann über das, zugegebenermaßen beeindruckende steinerne Meer. Den restlichen Zustiegsweg retour.

Uhrzeit am Auto: 21 Uhr....

 

Fazit: Die Gegend rund um die Rote Wand: wunderschön! Die Kletterei an sich: eigentlich auch ganz gut. Die Felsqualität: schlechter als erwartet. Was man in der „Via Cosima“ allerdings beachten sollte:

  1. Nicht auf den Grat gehen! Der letzte Stand ist eindeutig das Ende der Tour! Den Fels am Grat als „extrem brüchig“ zu beschreiben ist kein Euphemismus mehr sondern fahrlässig, am Grat hat man einfach nichts verloren!

  2. Mit Doppelseil klettern (zum Abseilen über die Tour)

  3. Verschleißmaterialien einplanen (falls man abbrechen muss)

  4. Genug Zeitreserven einplanen

  5. Das eigene Kletterniveau realistisch einschätzen (auch der Nachsteiger – hier ist nix mit Nullen)

  6. Nur einsteigen wenn man psychisch stabil ist

 

 

Sprinter´s Geschichte:

 

Diese Wand kenne ich vom Namen schon ewig. „Acrobat schön“ hat jeder meines Alters .. mit meiner Erfahrung :-) schon mal gehört. Wieder in Erinnerung kam mir der Name als ich von einem Unfall las. Geschehen in der Tour „Cosimo“ - welch Zufall aber auch.

Beim Lesen der beiden Tourenberichte der Tour – mehr ist im Internet nicht wirklich zu finden – wird unisono nur vom allerbesten Fels auf Erden geschrieben. Das muss ich sehen! Also wird diese Tour bei unserer Reise in die Schweiz als Einstieg mit eingeplant.

Nach unserer ersten Urlaubsnacht am Arlberg weckt uns morgens Regen, Nebel & Kälte … ein anderes Mal.

 

Bei schönstem Wetter dann unser zweiter Versuch die Rote Wand mal kennenzulernen. Der Zustieg bis zur Kante auf die Hochfläche vor der Wand ist bald überwunden. Dann kann man einen beliebigen Weg durchs Blockfeld und beim Aufstieg zur Wand wählen. Wege gibt es hier nicht – es scheint hier recht wenig los zu sein. Auch wir bleiben bei strahlendem Wetter, trockenem Fels und angenehmen Temperaturen – am Wochenende – den ganzen Tag alleine.

Mit Blick auf das Wandfoto (die Wand ist seeehr breit) finden wir einen Einstieg … zuerst halt den der Tour links der Cosimo. Also wieder runter. Von den zwei möglichen Einstiegen klettern wir den linken – ist ziemlich egal – Sicherungen gibt es weder links noch rechts. Am Stand gibt es einen Klebehaken – die Stände sind lt. Beschreibung saniert – saniert bedeutet in diesem Fall ein Klebehaken. Nur einen, sonst nix. Also eine ganze Länge klettern und hoffen, nach 30/40 Meter genau bei diesem zu landen. Wenn man sich verhaut merkt man es frühestens dann, wenn nach dieser Distanz nix auffindbar ist (oder man diesen übersehen hat). Hmm … nicht ganz unspannend!

 

Die erste Länge nach diesen Einstiegsschrofen klettert sich noch recht unangenehm. Viele Schuppen machen einen sehr fragilen Eindruck. Verlässliche Zwischensicherungen zu legen ist heuer mangels Übung im Kalk ungewohnt – die Felsqualität macht das auch nicht leichter. Das Ende dieser Länge glaube ich auf einem Band – hier ist etwas links der Linie auch ein uralter Stand mit 2 alten Petzl-Bolts … total rostig und einer davon auch noch schräg gesetzt. Wer diese Dinger von früher kennt und mal einen abgeschlagen hat weiß wieviel diese Dinger halten … ein sehr ungutes Gefühl hier nachzusichern. Beim Nachsichern entdecke ich einige Meter über dem Band dann den richtigen Stand – der Klebehaken. Das passiert mir heute nicht mehr – passiert mir echt nicht mehr … auch weil kein weiterer alter Stand mehr in der Wand verblieben scheint.

Nachdem die Schnecke bei mir auftaucht also eine Mini-Länge eingebaut und wieder nachgesichert. Solider Stand – alles gut!

Weiter geht es steil ums Eck und in leichterem, aber angenehmen und recht steilem Gelände nach oben. Guter Fels – Sicherungen könnte man auch gut legen – braucht man aber bei diesem Fels nicht viele. Es geht dahin! :-)

Auch die nächste Länge klettert sich gut und ist leicht zu finden. Ab dem Ende der ersten „richtigen“ Länge ist die Verschneidung/Rampe dann ausgeprägt und gibt die Linie vor – mit Raum zur persönlichen Linienfindung :-) Den Bewertungen sollte man nicht allzu viel Beachtung schenken – es gibt viele Wege zum Ziel – DEM KLEBEHAKEN der den nächsten Stand markiert.

Nun stehen wir unter der Schlüssellänge laut Topo. 35 Meter lang und im oberen Drittel mit einer modischen Schleife nach links. Steil geht es die gelbe Verschneidung rauf – und siehe da – ein uralter Normalhaken – die erste Zwischensicherung – jetzt wird es also ernst. Die Passage ist wirklich deutlich schwerer und am Band am Ende der Verschneidung dann ein Stand – mit 2 Bolts.

Die Schnecke nachgeholt stehen wir also hier – mir scheint das Gelände über dem Stand recht steil für die angegebene Schwierigkeit. Das passt schon – die Schuppe ein paar Meter darüber scheint gutgriffig – meint meine bessere Hälfte. O.K. - also los. Ich merke schon bald, dass das nicht die Länge vom Topo sein kann – aber nach ein paar wirklich kräftigen Zügen die Überraschung: der Klebehaken … anstatt hier gerade hoch wäre es also in einem modischen Schlenker … richtig: unsere Linie wäre linksherum in der Verschneidung gegangen. Dann hätte auch das Topo Sinn gemacht … nach diesem „fast richtig“ nehme ich mir vor das Topo genauer zu lesen. Ganz genau.

Und unsere Linie geht jetzt also ganz genau nach links und dann nach oben! Also klettere ich kurz ab und mache mich auf den Weg in die Verschneidung links von uns. Diese ist vom Stand nicht einsehbar … leider. Als ich darunter stehe stehe ich in einem Haufen Bruch. Es schaut so aus, als ob ein beträchtliches Stück der Verschneidung den Wunsch nach Veränderung nachgegeben hat. Das sieht mal nicht wirklich einladend aus.

 

Also wieder retour. Es gibt eine Variante, die direkt vom Stand der steilen Verschneidung folgt und beim nächsten Stand wieder in unsere Tour mündet. Diese ist halt statt 5 dann 6. Also unsere „neue“ Schlüssellänge. Der Fels ist echt gut – Sicherungen lassen sich gut legen – und diese Länge klettert sich genial. Sogar die Platte am Schluss zum … KLEBEHAKEN! Geil!

 

Wenn nur meine Schnecke das gleich sehen würde. Ihre Psyche ist merklich „angeschlagen“ und sie trifft mit großen Augen am Stand ein. Leider nicht vor Begeisterung über die wirklich schöne und elegante Länge.

 

Anmerkung: mir hilft es immer, wenn mein Seilpartner Freude und Begeisterung ausstrahlt. Wenn sich jemand freut und Spass hat. Wenn sich mein Partner fürchtet überträgt sich das auf mich. Auch wenn ich bis zu diesem Zeitpunkt die Tour voll genossen habe – die Unsicherheit ist bemerkbar. Da es hier aber mit einem Einfachseil keine sichere Möglichkeit retour auf den Boden gibt – es bleibt uns einzig die Flucht nach vorne. Ob wir wollen oder nicht!

 

Die nächste Länge geht gerade rauf unter ein Dach. Unter diesem quert man im Dachgrund dann nach links raus – bis zum Ende des Daches. Hier findet man: trara! Zwischensicherung Nummer 2!! Eine fingerdicke, aber bereits gefädelte Sanduhr. Dann hat man zwei Möglichkeiten: entweder schräg links über eine Platte – oder einem Riss folgend gerade rauf und auf dem Band dann waagerecht nach links. Heute stelle ich meine Liebe für Platten mal hintan und folge dem Riss – sehr zum Missfallen meiner allerbesten zweiten Hälfte … zum Klebehaken um unteren Ende einer steilen Wasserrillen-Platte. Der letzten Länge vor dem Band – und den „Ausstiegsschrofen“.

 

Diese letzte Länge ist am Anfang recht spannend. Eine Sicherung am Stand – und dann doch einige Meter über diese Wand/Platte rauf ohne eine Zwischensicherung legen zu können – klettert sich spannend. Nachdem ich zwei Zwischensicherungen gelegt habe geht’s rauf bis ans Ende der Wand. Kurz unter dem Band dann der letzte Klebehaken. Stand! Ende der Schwierigkeiten … laut Topo. Der Mergel schaut von unten auch nicht wirklich hoch aus.

 

Hinter der Roten Wand ist Donner hörbar. Immer wieder. Man sieht das Gewitter nicht, es scheint aber näher zu kommen … das wird knapp.

 

Die erste Mergel-Länge geht recht steil weg. Am Anfang steckt ein Normalhaken mit Ring. Beim Einhängen ziehe ich ihn ein Stück raus. Ups. Ich schiebe ihn wieder rein und steige los. Sämtliche großen Steine versuche ich zu vermeiden. Das Gewicht immer möglichst breit verteilen. Am Grat angekommen suche ich einen Stand. Den einzigen größeren Zacken versuche ich mit Schlingen abzubinden – da mir dabei aber so viel Material einfach zwischen den Fingern zerbröselt lasse ich das. Laut Topo geht die Linie nach rechts oben weiter. Das wäre dann direkt an der Pfeilerkante – also am ausgesetztesten Punkt hier oben. Da das Seil fast aus ist und dort oben auch kein Stand ist gehe ich in die schluchtartige Rinne nach hinten. Ein kleiner Friend zwischen zwei festen (?) Steinen ist die einzige Sicherung die hält. Den Rest muss ich im Falle (Achtung: Wortspiel) selbst halten – mit Unterstützung der Reibung am Grat. Nicht ganz unspannend! Meine Lieblingsschnecke macht ihre Sache gut und kommt ohne Zwischenfall bei mir an.

 

Die nächste Länge sollte auf den Grat reichen. Die Rinne wird oben steiler und immer brüchiger … obwohl sie schon brüchig startete. Am Ende des Seils quere ich kurz nach rechts raus. Am einzigen „festen“ Riss setze ich einen Friend. Bombig! … zumindest erkläre ich es mal so. Die nächste Länge geht bis ganz rauf! Mit Sicherheit!

Um es kurz zu machen: es geht sich aus. Das Gelände hier ist aber echt der Wahnsinn! Nichts hält, alles zerfällt unter den Händen – und kurz unter dem Grat ist es nochmals kurz recht steil. Am Grat dann zwei Überraschungen. Die erste: über einen massiven Stein hängt eine nagelneue Bandschlinge mit 2 Karabinern. Das wirkt vertrauensvoll.

 

Überraschung zwei: es geht hinten fast gleich steil runter wie es hier rauf geht und am Grat rechts von uns ist ein steiler Turm. Durch unseren Weg durch die Rinne sind wir eindeutig viel zu weit links am Grat gelandet. Hier kommen wir nicht rüber. Dafür ist das Gewitter auf gleicher Höhe – aber ein ganzes Stück nördlicher. Das erwischt uns nicht mehr!

 

Nach einem Abseiler und einigem Abklettern erreichen wir flacheres Gelände und können endlich Richtung Ost zum Ende des Grates aufbrechen. Dort angekommen freuen wir uns über die sehr steile Wiesenflanke. Der Abstieg zum Steinmann an der Schulter geht gut. Auch die Abseilstelle ist gleich gefunden und abgeseilt. Warum man dann die Rinne abklettern muss, um zur letzten Abseilstelle zu gelangen – das Gelände hier ist steil, sehr steil – und ein Fehler endet hier gleich gute 30 Meter tiefer. Auch für eine Markierung hat es leider nicht gereicht. Das wäre sehr hilfreich. In der Beschreibung ist nur von einem Stück absteigen die Rede. Nach dem letzten Abseiler: wieder auf sicherem Boden! Endlich! Genial!

 

Über das Blockfeld und den Grasrücken geht es ab zum Auto. Dieses erreichen wir kurz vor (mit?) der Dunkelheit. Vom Erreichen des Grates bis zum Auto waren wir 6! (in Worten: zwei Ewigkeiten) Stunden am Weg. Wahnsinn!

 

Am gesamten Weg – vom Auto zum Einstieg – vom Ausstieg zur Schulter – vom Ende der Abseilpiste zum Auto retour haben wir eine Markierung gefunden. Den Steinmann auf der Schulter!

Muss ich es erwähnen, dass man mit Doppelseil einfach abseilen hat können? Ohne den „Mergel“ oben klettern zu müssen? Ohne dem „Weg“ rüber zum Grat?

Die Wand ist geil! Super Landschaft! Schaut super aus! Super einsam! Super die Ruhe!

 

Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen … hoffentlich!

An meine Schnecke: lieb dich trotzdem! 😊

 

Topo: auf Anfrage